Ein tiefer Winter war derweil gekommen, und der
Schnee lag glänzend über der keimenden Saat, beugte die Bäume
unter seiner Last und bedeckte die Dächer und Türme mit hohen,
in der Sonne blitzenden Hauben.
Die Wege waren schuhtief verschneit, und männiglich steckte
den Kopf fest unter den Mantelkragen und zog die Pelzhaube tief über
die Ohren.
Meine Kathrein aber kniete vor dem großmächtigen Linnenschrank
und holte das feinste von den selbstgewirkten Tafeltüchern heraus
für die Weihnacht, indes die Mägd am Backtrog standen und den
Teig zum Kletzenbrot kneteten.
Und da etliche Tag darnach der heilig Abend anbrach, stellte die
liebste Frau die alte Hauskrippe unter den Altar, steckte rings um den
Tisch rote Kerzen auf und trug schwere Schüsseln voll Äpfel,
Nüsse und Weihnachtsbrot in die Stube.
Darnach stellte sie alle die armseligen Figürlein und Sachen,
so ich ihr als Knab geschenkt, an ihren Platz und steckte eine große
Kerze dazu.
Am End aber wies sie mir auch meinen Platz, indem sie ein Licht
neben das ihre klebte und eine feine Silbertruhe, darin ein goldens Herz
und in diesem ein alter Fingerring lag, dazustellte, worauf sie hinauslief,
ihre Leut zu holen.
Nun legte auch ich meine Verehrung für sie, ein goldens Medaillon,
sowie eine Statuette ihrer Patronin zu ihren Sachen und setzte mich darnach
still auf die Ofenbank.
Lachend und schwatzend erschienen nun alle im Festgewand, wünschten
mir einen guten Abend und knieten sich darnach um die Krippe.
Da trat auch die Kathrein in hohem Staat ein, trug einen brennenden
Wachsstock in der Hand, lächelte leise zu mir herüber und entzündete
die Kerzen, indem sie mit bewegter Stimm das Weihnachtslied begann. Da
fielen alle ein und sangen:
Was Wunder ist gschehen zu dieser Nacht,
Da uns die Jungfrau den Christ hat bracht!
Ein Jauchzen dringet vom Himmel her;
Englein tun singen: Gott sei die Ehr!
Es knieet Maria wohl auf dem Stroh
Und ist der erfülleten Botschaft froh,
Hälts Kindlein voll Lieb wohl in dem Arm
Und singet: Nun schlafe, mein Söhnelein, warm!
Ich wiege dich sanft und ich wiege dich fein,
Schlafe, mein herzliebes Kindelein, ein! -
Ihr Manne, der Joseph, das Bettlein aufmacht
In der Krippen, darein er ein Strohbund hat bracht;
Maria die legt ihren Schleier dazu
Und bettet ihr Söhnlein zur gueten Ruh.
Ein Ochs und ein Eslein, die wehren der Kält
Und halten fein warm den Erlöser der Welt.
Viel Engelein fliegen durchs nächtliche Tal,
Besingen das Kindlein in Bethlehems Stall,
Frohlockend des Wunders der heiligen Nacht,
Da Jerichos Rose das Blümlein hat bracht.
Nach solchem Singen standen alle auf, und ein jegliches nahm sein
Licht vom Tisch; das Kathreinl aber reichte ihnen den üblichen Christtaler,
verteilte den Inhalt der Schüsseln unter sie und nahm darnach auch
unser beider Verehrung vom Tisch, legte es in ihre Schürze und setzte
sich schweigend zu mir, indes die Mägd aufdeckten und die Mahlzeit
hereinbrachten.
Also ward fröhlich gegessen und getrunken, gelacht und gescherzt,
indes das Feuer im Ofen krachte und der Kienspan knisterte.
Das Kathreinl trug nun unsere beiden Lichter samt den Gaben hinauf
in meine Kammer und setzte sich darnach wieder auf die Ofenbank.
Sie schien müd und abgeschlagen zu sein, also daß ich
meinte, sie mög sich doch hinlegen; - die heilig Nacht ging auch ohne
ihr Zutun fröhlich hinüber.
Aber sie wollte nicht.
Und da es Zeit war, zur Metten zu gehen, und das Krachen der Böller
und das Geläut der Glocken durch das Tal hallte, richtete sie die
Laternen zu, schob den langsamen Zeiger der Uhr auf halb zwölf vor
und hüllte sich in ihren großen Schal. Dann sagte sie zu mir:
»Wirst wohl noch munter sein, wann ich wiederkomm, Mathiasl; - laß
mir halt kein Unhold ins Haus und krieg den Weillang nit.«
Worauf sie mir lächelnd einen Weichbrunn gab, gute Nacht wünschte
und den andern folgte.
Ich aber saß nachdenklich auf meiner Bank und dachte, daß
das Kathreinl heut gar nicht wohl ausgesehen hätt, und daß sie
besser tät, wenn sie den Hof verkaufte und sich zur Ruh setzte.
Und hing also einsam meinen Gedanken nach, als dumpfer Lärm
an mein Ohr drang und mich erschreckt auffahren ließ.
Ich lief hinaus fürs Haus, - da kamen die Knecht und die Mägd
- und trugen - heiliger Gott - meine Kathrein.
Sie wär ihnen ganz gerecht nachgekommen, erzählte der
Oberknecht, - sei noch eine Weil dahingegangen, - hätt dann mit einem
Mal ein erschreckliches Husten hören lassen - die Arm gählings
in die Höhe geworfen - und sei wie ein Baum zusammengebrochen. - Und
da sie voll Schrecken hinleuchten, ist der Schnee rings gerötet.
Wir legten sie aufs Bett.
Bleich und ohne Leben lag sie da.
Wir wuschen ihr das Gesicht mit Essigwasser, und ich hielt bebend
ihre kalten Händ in der meinen, indes die einen zum Wundarzt liefen,
- die andern zum Pfarrer.
Das übrige Gesind war leise hinausgegangen, und ich vernahm
aus der Wohnstube herauf das gedämpfte Beten für die Kranke.
Meine liebste Frau öffnete die Augen, sah mich matt und hilflos
an und schloß sie wieder.
Nach geraumer Weil kamen die andern zurück und meldeten: der
Wundarzt wär nicht daheim, - käm auch nicht heim, die Nacht,
- und der Herr Pfarrer hätt nicht der Weil, - und der Koprator auch
nicht, - die müßten jetzt die Metten singen und das Christamt
halten.
Dann gingen sie hinab zu dem übrigen Gesind.
Also saß ich allein am Bett meiner Kathrein, indes die hohe
Uhr ihr langsames Tick Tack hackte, das Wachslicht flackernd niederbrannte
und das murmelnde Beten zu mir heraufdrang.
Da schlug sie noch einmal die Augen auf, - sah mich an, öffnete
den Mund und flüsterte meinen Namen. Ich beugte mich über sie
und hielt mein Ohr an ihre Lippen, krampfhaft ein lautes Schluchzen verbeißend.
"Aufheben" -, lispelte sie.
Und ich schob leise meinen Arm unter ihr Hauptpolster und hob sie.
Da lächelte sie ein wenig - sagte flüsternd: "Gelts - - - Gott
- - - ich - - - geh - - - heim - - - o Jesus - - -", und war still.
Ich legte sie stumm zurück - drückte die herzlieben Augen
zu - und ging hinaus.
Und nun mag ich nimmer reden von meinem Leid.
Sie ward mit großem Gepräng zur Erden bestattet, ihr
Hof zerteilt, dabei die herzliebste Frau auch mir ein Teil zumaß;
- und dann reiste ich zurück in die Stadt, - suche Trost im Schaffen
und lebe ein einsams Leben, - das mir der gut Vater zu einem gnädigen
End führen wolle. Amen.
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